Hanjo Hellbusch bewältigt 101,6 km beim Zugspitz Ultratrail

von Hajo Lueken

Der Marathon ist nicht genug: Ein für Außenstehende unfassbares Vorhaben hat TSV-Ausdauerläufer Hanjo Hellbusch nach monatelanger intensiver Vorbereitung, mit mehreren Trainingslagern in den österreichischen Alpen und im Harz, in die Tat umgesetzt. Wohl kein TSV-Aktiver vor ihm hat eine über 100 km lange Bergpassage mit über 5.000 Höhenmetern in einem Wettkampf zurücklegen können - Hanjo Hellbusch hat es vom 17.06. auf den 18.06. 2017 tatsächlich geschafft und hier ist nun sein spektakulärer Bericht dazu:

100 Kilometer Trailrunning um die Zugspitze, kann ich diese Herausforderung meistern?

Diese Frage hatte ich mir schon lange gestellt. Um es herauszufinden, hatte ich mich für dieses Jahr bei dem Zugspitz Ultratrail angemeldet. Es ist Deutschlands grösstes Trailrun-Event - an und um die Zugspitze - das mehr als 2500 Läufer aus über 50 Nationen anlockt. Hier muss man sich für eine von fünf Distanzen entscheiden. Jeder Lauf hat einen anderen Startpunkt, aber dasselbe Ziel: den kleinen Ort Grainau nahe Garmisch-Partenkirchen. Ich habe mich für die Königsdisziplin entschieden. Es ist der 101,6 km lange Ultralauf, bei dem man einmal das gesamte Wettersteingebirge umrundet. Zu den Kilometern müssen aber auch noch rund 5400 Höhenmeter überwunden werden.

Am Abend vor dem Start galt es beim sogenannten Briefing anwesend zu sein. Hier wurden noch einmal alle Regularien wiederholt wie z.B. die Mindestausrüstung, die man mitführen musste. Dazu zählten unter anderem ein Laufrucksack, eine Kopfleuchte mit Ersatzbatterien, Regensachen und wärmende Bekleidung. Und auch ein Getränkespeicher war wichtig, denn es gab zwar 10 Verpflegungsstationen, die konnten aber je nach eigener Leistung mehrere Stunden auseinander liegen. Am Ende wurde nochmal der aktuelle Wetterbericht vorgelesen, dieser ließ auf einen schönen Renntag hoffen.

Am Samstag, dem 17. Juni klingelte um 5 Uhr der Wecker, schnell geduscht und ab zum Frühstück. Danach legte ich die Ausrüstung an und begab mich zum Start. Pünktlich um 7.15 Uhr ging es beim Kurhaus in Grainau (auf 744 m) los. Anfangs wurde das Starterpulk traditionell von der örtlichen Trachtenkapelle angeführt. Nach 500 Metern bogen sie ab und die über 500 Läufer/-innen setzten sich in Bewegung. Es ging schnell aus dem Ort heraus Richtung Hammersbach. Es folgten die ersten leichten Höhenmeter und ein kurzer Trail bevor es über ein Schotterweg schnell dem Eibsee entgegen ging.

Morgens vor dem Start

 

Bei Kilometer 10 erreichten wir den ersten Verpflegungspunkt (V1) auf 1016 m. Irgendwo in diesem Bereich lief ich auf der mir bekannten Lisa Mehl auf, die spätere Siegerin der Frauenwertung. Mir ging sofort durch den Kopf, dass ich viel zu schnell sein musste. Nach einen kurzem Gespräch mit ihr drosselte ich das Tempo, denn der Tag würde noch lang werden.

Bis zum V2 auf 1525 Metern mussten wir zwei Skipisten hoch laufen und überquerten die Grenze zu Österreich. Gleichzeitig gab es einen schönen Ausblick auf Ehrwald. Zum V3 (1617m) gab es einen steilen Anstieg im Tannenwald und ein kurzes Stück Teerstraße, die mich ganz schön ausbremsten und sehr viel Kraft kosteten. Dann bekam ich noch Magenprobleme, die das Laufen nicht leichter machten – aber egal, weiter.

Vorbei an der Hochfelderalm ging es zum Feldernjöchl (2045m) weiter zur höchsten Stelle des Rennens auf 2206 Meter. Von dort konnte ich kurzzeitig die Bergstation der Zugspitze in der Sonne glänzen sehen. Es ist so schön da oben! Und was macht man wenn man gerade oben ist: man läuft wieder runter, denn irgendwie mussten ja die Höhenmeter zusammenkommen. Nach der V4 (1417m) ging es wieder rauf auf zum Scharnitzjoch (2048m). Dieser Anstieg machte mir ganz schön zu schaffen. Es war in der Sonne recht warm und mein Magen wollte nicht so wie ich und die Steigung nahm kein Ende. Zwischenzeitlich machte ich mir Gedanken, ob ich die Zeitlimits, die es an jeder Verpflegung gibt, einhalten könnte. Ich hatte die Zeiten nicht im Kopf, wusste aber dass es sie gab.

 

Irgendwann war ich aber oben und von da an änderte sich das Rennen. Der Magen hatte sich etwas beruhigt und es ging mit meiner Lieblingsdisziplin weiter, dem Down-Hill. Der Weg führte steil bergab. Ich schaltete die Bremse im Kopf aus und gab nur noch Gas. Ich sprang über Steine und Stufen und freute mich so über die Teilnahme am Ultratrail. Schnell war ich an der V5 (1085m) angekommen. Nun war die erste Hälfte geschafft und ich musste nur noch 48km laufen. Des weiteren lagen hier die Drop-Bags und die Taschen mit Wechselkleidung, die jeder Läufer am Start abgeben konnte. Ich zog mich schnell um, packte noch Energiegele in den Rucksack. Also nahm ich sprichwörtlich die Beine in die Hand und es ging weiter.

Der nächste Abschnitt lag mir auch. Zur V6 (930m) in Mittenwald ging es größtenteils über einen Schotterweg, dabei mussten nur wenig Höhenmeter überwunden werden. Dort angekommen brauchte ich dringend was in den Magen. Also am reichlichen Buffet habe ich ordentlich reingehauen. Dazu muss ich sagen, dass es an den Stationen alles gab, was das Läuferherz so begehrt, wie z.B. Suppen, Obst, Nüsse, Salami, Käse, Brote, isotonische Getränke und auch Cola.

Nun ging es zum Ferchensee, der liegt auf 1040 Metern. Auch hier verlief die Strecke relativ flach durch einen schönen Wald. Am See war der V7, hier habe ich meine Getränke wieder aufgefüllt. Jetzt folgte eine lange Etappe. Als erstes liefen wir ein Stück Schotterweg bis zum Schloss Elmau, welches durch den G7-Gipfel 2015 bekannt wurde. Von dort mussten wir auf eine Hügelkette (1250m) hoch und auf ihr entlang. Immer etwas rauf und wieder runter. Am Ende ging es gute 400 Höhenmeter runter zu einer Brücke über die Partnachklamm. Auf der anderen Seite wieder hoch zur Partnach-Alm (978m), wo sich die V8 befand. Hier merkte man schon deutlich, dass es dunkel wurde. Ich setzte meine Kopfleuchte auf und nach der Verpflegung ging es weiter.

 

Ich fühlte mich sehr wohl und auf dem Schotterweg rannte ich sehr schnell. Ich überholte etliche Läufer, diese applaudierten mir zum Teil, wahrscheinlich weil ich nach so vielen Stunden noch so laufen konnte. Dann wurde es schlagartig dunkel. Am Ende des Schotterweges folgte ein kleiner Trampelpfad. Es ging über viele große Steine nun stetig bergauf. Ich lief erst in einer kleinen Gruppe, konnte das Tempo aber nicht mitgehen. Also stieg ich alleine über gefühlte hundert Kehren, die rund 600 Höhenmeter hinauf. Immer wenn ich in die dunkle Nacht nach oben schaute, sah ich weit über mir sich bewegende Lichtscheine. Und mir kreiste die ganze Zeit durch den Kopf: Wann hört dieser Steig endlich auf? Irgendwann hatte ich es geschafft. 500 m weiter erreichte ich die V9 (1600m) und ich informierte mich über den nächsten Abschnitt.

Dieser Abschnitt ging als Rundkurs bis zur Bergstation Alpspitzbahn und zur gleichen Verpflegungsstation zurück, dann mit der Bezeichnung V10. Zu meistern waren rund 400 Hm, erste Hälfte wieder auf Schotter. Ich konnte hier wieder einige Läufer abhängen. Schlagartig wurde es sehr nebelig und die Sichtweite betrug nur noch wenige Meter. Ab der Bergstation (2029m) kam ein für mich sehr gemeiner Downhill. Es ging über sehr hohe Stufen nach unten. Dieses springen und klettern fiel mir nach den ganzen Kilometern schwer. Immer wieder lief ich an Leuten von der Bergwacht vorbei, die kleine Lagerfeuer zur Orientierung an machten. Nach den Stufen verlief der Kurs recht flach oder abfallend und ich erreichte schnell die V10.

Nun wusste ich, dass es nicht mehr so weit ist. Aber ein Läufer und eine Frau von der Rennleitung warnten mich, denn es ging auf den nächsten 5 Kilometern 800 Hm nach unten. Immer wieder waren da gemeine Stufen. Die Warnung sollte mich aber nicht bremsen. Mit Vollgas rannte ich los und ich überholte noch zwei Läufer. Von dem Zeitpunkt an habe ich außer Posten von der Bergwacht keinen Läufer mehr gesehen. Unten kam ich direkt neben meinem Hotel in Hammersbach raus. Nun galt es nur noch 2 km auf der Straße zu überstehen. Meine Kopfleuchte ging aus - Akku war alle. Wechseln des Akkus war wegen den Straßenlaternen aber nicht mehr erforderlich.

Dann näherte ich mich der Ziellinie und hörte durch die Lautsprecher meinen Namen. Überglücklich schreitete ich um 1.30 Uhr - nach 18 Stunden und 15 Minuten - über die Ziellinie. Unglaublich stolz und mit einem Grinsen im Gesicht bekam ich die Finisher Medaille umgehängt.

Ich hatte es geschafft!!!

Was ich nicht mitbekommen hatte war meine Platzierung. Ein Läufer, den ich auf der Strecke kennen lernte, kam auf mich zu und gratulierte mir zu dem Lauf und zu einer Platzierung unter den ersten 100. Ich konnte es nicht glauben, aber er sollte Recht behalten. Am nächsten Morgen konnte ich es in den Ergebnislisten sehen. Ich kam bei meinem ersten 100 km Lauf auf Platz 94 von über 500 Startern. Und das mit dem Handicap, dass ich Zuhause kaum Höhenmeter trainieren kann.

Fazit: Als Norddeutscher kann man die Strecke meistern! Es ist eine sehr tolle und gut organisierte Veranstaltung. Dazu kommt die herrliche Landschaft um die Zugspitze. Ich hatte während des ganzen Laufes nicht einmal Zweifel, dass ich es nicht schaffen kann. So wie es momentan aussieht, starte ich 2018 wieder in Grainau. Es hat mir sehr viel Positives gegeben.

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